Fortbewegung in neuen Formen
Megatrend Mobilität
Unser Experte Peter Wallner analysiert für Sie den Megatrend Mobilität.
„Zumeist denken Wohnungsunternehmen beim Stichwort Mobilität vor allem an die Aufgabe, in neuen Quartieren Ladesäulen zu realisieren. Das ist allerdings viel zu kurz gesprungen. Neue Mobilitätsbedürfnisse und neue technische Möglichkeiten bieten Chancen auf spannende Projekte für die Mitarbeiter, Alleinstellungsmerkmale in der Kundenkommunikation und nicht zuletzt neue Ertragspotenziale.“
Das Wichtigste zum Megatrend Mobilität auf einen Blick
- Mobilität ist mit der Menschheitsgeschichte von jeher verbunden und hat Lebensweisen entscheidend verändert – vom Mittel zum Zweck über Status und Freiheitssymbol hin zum Teilen-Gedanken
- Fragestellungen gehen weit über den Punkt des Parkplatzes vor dem Quartier hinaus, der Fokus liegt viel stärker auf den zukünftigen Mobilitäts-Bedürfnissen sowie der Lebens- und Wohnsituation der 24/7-Gesellschaft
- Mobilität gewährleistet Flexibilität, die wiederum bei der Gestaltung der sogenannten Third Places in der zukünftigen Quartiergestaltung unbedingt Berücksichtigung finden muss
Das multimobile Zeitalter
Megatrend Mobilität – alles kalter Kaffee, so will man auf den ersten Blick meinen. Denn schließlich ist die Geschichte der Menschheit in den letzten Jahrhunderten stets damit verbunden gewesen, dass Entfernungen sich zunehmend relativiert haben. Und dies schon lange bevor mit der Erfindung der Eisenbahn und dann des Automobils Mobilität nochmals massentauglicher wurde.
Allerdings ist mit dem gesellschaftlich beobachtbaren Megatrend Mobilität weit mehr verbunden als Fragestellungen zu Entfernung und Individualverkehr, wobei sich schon hier tiefgreifende Änderungen zeigen. Phänomene wie Elektromobilität, der Trend zu Carsharing, der Bike-Boom und auch die künftigen Möglichkeiten des autonomen Fahrens ändern mehr als unsere Wegebeziehungen. Das Auto hat längst seine Position als Standard-Statussymbol verloren. Was kommt als nächstes?
Wettbewerbsvorteile durch unterschiedliche Mobilitätsangebote
Stellen Sie sich Innenstädte mit weniger Parkplätzen oder einem optimierten bzw. reduzierten Straßenausbau vor. Welche Chancen ergeben sich aus den frei werdenden Flächen? Also können und müssen wir unsere Quartiere neu denken, hinsichtlich Mobilität mehr Angebote machen als den Parkplatz vor der Haustür. Quartiere mit vielfältigen Mobilitätsangeboten erlangen Wettbewerbsvorteile. Und die Ladestationen-Infrastruktur ist planerisch, technisch und ökonomisch auch eine Denksportaufgabe für die Eigentümer der Quartiere.
Carsharing: Eigentum vs. Nutzen
Neben der verkehrlichen Komponente sehen wir auch andere Änderungen der gesellschaftlichen Einstellung zur Mobilität. Das Thema Carsharing bietet hier eine gedankliche wie analytische Brücke: Mobilität heißt nicht mehr nur Überwindung von Strecke, sondern beinhaltet auch Wahlfreiheit und Flexibilität. Eigentum als Selbstzweck und Selbstverständlichkeit tritt in den Hintergrund und der Nutzen in den Vordergrund.
Moderne Nomaden
Diese auf Effekt und Flexibilität, letztlich auch auf Freiheitsgrade ausgerichtete Mobilitätsbewegung bringt dann einerseits die modernen Nomaden hervor und andererseits die 24/7-Gesellschaft. Anders als im Denken der späten 80er Jahre ist der moderne Nomade nicht mehr nur jemand, den sein Broterwerb räumlich flexibel bleiben lässt. Nunmehr erleben wir auch sinkende Quartierstreue und erhöhte Bereitschaft, Zelte abzubrechen. Die Lust, die Wohnsituation flexibel an Lebensverhältnisse anzupassen, steigt. Derzeit erleben fast alle Wohnungsunternehmen historisch geringe Fluktuationsraten, aber das ist vor allem der knappen Angebotssituation geschuldet. Die Fluktuationsbereitschaft ist höher denn je.
24/7, ohne Pause und immer erreichbar
Die Flexibilität, in der gedacht wird, erwartet man auch von Geschäftspartnern. In der 24/7-Gesellschaft ist nie Pause. Anfragen erwarten Rückmeldungen. Hier liegt eine erhebliche Herausforderung für die Organisationen, denn die logische Folge von 24/7 ist die „Ungeduldsgesellschaft“. Wohnungsunternehmen, die dies messen, stellen fest, dass die Zahl der Rückfragen nach laufenden Vorgängen stetig steigt und teilweise 40 % der Kundenkontakte ausmacht – präzise, planbare Prozesse mit Feedback-Strukturen heißt dann die Antwort. Das ist organisatorisch und instrumentell nicht allzu kompliziert, hinsichtlich der zu verändernden Unternehmenskultur aber eine echte Aufgabe.
Third Places, die Alleskönner
Hohe Erwartungen an Flexibilität und Mobilität bringen dann schließlich ein Phänomen hervor, welches in der Gestaltung unserer Wohnquartiere nicht außer Acht bleiben darf: die sogenannten Third Places. Standen bisher die Erwartungen an Wohnraum und Arbeitsplatz (First und Second Place) als Orte von Aufenthalt und Arbeit im Vordergrund, so werden mittlerweile vermehrt Third Places gesucht, an denen man sich trifft und zusätzlich alles erledigen kann. Smartphones und Tablets bieten die technologischen Grundlagen, und die Third Places wie z.B. Cafés, Clubs, öffentliche Bibliotheken, Parks, aber auch externe Küchen für gelegentliche Kochevents und Coworking Spaces, müssen nun vor allem Aufenthaltsqualität und WLAN miteinander verbinden. Damit bieten sie attraktive Gestaltungsräume, die das dezentrale Wohnen zum ganzheitlichen Living verwandeln.
In den letzten Jahren haben wir gesehen, was die globale Migration für die Wohnungswirtschaft bedeuten kann – inwieweit dies singuläre Ereignisse waren, bleibt zu beobachten. Aber so weit muss man gar nicht denken, die tiefgreifenden Veränderungen sind zumeist alltagsweltlich.
Der Megatrend Mobilität beschert der Wohnungswirtschaft also Mieter mit neuen Ansprüchen und Erwartungen sowie die Chance und Notwendigkeit, die Wohnquartiere neu zu denken.
Bleiben Sie also neugierig.